Rollen spielen oder sich selber sein?
Dies ist ein Auszug aus meinem Buch “Zum Ausklang im Einklang”
Wenn Menschen verliebt sind, so entsteht auch das gängige Bild von «Schau, sie sind ein Herz und eine Seele.» Nicht selten mit einem leichten oder auch stärkeren Unterton. Warum auch immer. Weil man es selber nicht hat?
Die eigene Reaktion auf etwas, die eigenen Worte, die eigene Botschaft sagt nie etwas über das Gegenüber aus, sondern stets nur über uns selbst. Es ist ein Ausdruck unserer selbst auf der Leinwand unseres Lebens. Wir sind uns dadurch ständig am Ausdrücken. In jedem Moment sind wir auf unserer eigenen Leinwand tätig. Je bewusster wir uns anerkennen, dass wir in jedem Moment mit der Aktion und Reaktion uns selber ausdrücken, und je besser wir durch diese Brille der Erkenntnis auf unsere Leinwand schauen, desto mehr erfahren wir über uns selber. «Erkenne dich selbst.» Das Orakel von Delphi. Lange ist es her, vergessene Mythologie. Vergessene Herkunft, vergessene Weisheit. Wie vieles, das in uns ist, aber von uns vergessen. Oder bewusst unterdrückt und verdrängt. In uns hineingefressen. Und damit blockiert. Blockierte Energie. Warum? Weil wir auf der Leinwand unseres Lebens eine Rolle spielen, die nicht wir selber sind. Oder spielen wollen. Spielen müssen. Die Rolle oder die Rollen spielen gelernt haben. Rollen, die nicht wir in unserer ureigensten Identität sind. Der Arbeitnehmer. Die Ehefrau. Die Spassnudel. Der Kritiker. Die Sportskanone. Der Familienvater.
Rollen spielen ist anstrengend. Rollen spielen unterdrückt den natürlichen Fluss des Seins, lenkt Energien um, verstellt und blockiert. Und das ermüdet. Auch wenn wir nach einer Weile das Gefühl für die Rolle bekommen, und diese Rolle zu spielen uns immer leichter fällt. So leicht, dass sich gespielte Rolle und wahre Identität zu vermischen beginnen. Und wir plötzlich gar nicht mehr wissen, was nun unsere Rolle und was nun unsere Identität ist. Und wir gar nicht mehr erkennen können, woher nun die Blockaden kommen. Wenn wir ein ganzes Leben lang eine Rolle spielen, wissen wir dann noch, fühlen wir dann noch, wer wir sind? Im Innersten. Oder geht es uns dann so wie Archibald Leach. Der aus ärmlichsten Verhältnissen in England auszog in die grosse weite Welt. Seine Mutter verliess seinen Vater von einem Tag auf den anderen. Es hiess, sie gehe zu einer Kur. Aber sie kam nie wieder. Archibald frass dieses Erlebnis in sich hinein. Mit einer grossen unverarbeiteten Wut auf die Mutter. Er ging nach Hollywood. Er wollte etwas Besseres werden. Er wollte ein Gentleman werden, den keine Frau jemals mehr verlassen wollte. Einer, dem die Frauen zu Füssen stehen. Er wurde Cary Grant und als Cary Grant eine Ikone Hollywoods. Und doch blieb er Archibald Leach. Ein Mann, der im tiefsten Inneren nicht mehr wusste, wer er war. Ein Mann, der eine Frau nach der anderen vertrieb. Dem die Frauen zu Füssen lagen. Und er diese Frauen mit Füssen trat. Der seine Wut auf eine einzige Frau in seinem Leben nun auf alle seine nächsten Frauen weitergab. Bis er seine Mutter in England wieder fand. Nicht in einem Kurhaus, sondern in einer psychiatrischen Klinik. Eingewiesen, vor langer Zeit und ohne ihr Einverständnis durch den Vater. Eingewiesen hat sich Archibald Leach auch. Vor dieser Begegnung mit der Mutter und danach auch, in diverse Kliniken und Therapien. Auf der ständigen Suche nach sich selbst. Stets erfüllt von der Rolle von Cary Grant, und stets auf der Suche nach der Leere in Archibald Leach. Die LSD-Therapie in den 60-er Jahren half ihm schliesslich, zu sich selbst zu finden. Er spielte noch einige wenige Filme und widmete dann all seine restliche Lebenszeit seiner einzigen Tochter, die er erst mit sechzig Jahren bekam. Seine Tochter wurde sein ein und alles.
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