Dies ist ein Auszug aus meinem Buch “Vom erfüllenden Mangel”

Was passiert, wenn Sie im Kindergarten einem Kind den Auftrag geben, «Chef» der Gruppe zu sein. Es beginnt zu befehlen, kommandieren, wird laut und stellt sich in den Vordergrund. Es nimmt diese neue Rolle auf und spielt sie. Ohne es bewusst zu merken. Und wenn wir dann ein Kind sehen, dass bei dieser Aufgabe ruhig bleibt, sich selbst bleibt, und mit der Gruppe zusammen einfühlsam das Beste aus der Aufgabe zu machen beginnt, dann sagen wir was? Wir sagen «Wow, was für eine Reife Leistung!».

Das Kind bleibt immer ein Teil von uns. Und je nachdem, wie gut wir als Persönlichkeit, wie gut unsere Identität gereift ist, desto reifer werden wir dann auch im Umgang mit Macht sein, wenn wir einmal in eine solche Position kommen. Was wir leider meistens feststellen dürfen ist aber, das eine Vielzahl von Menschen, sind Sie einmal in einer Machtposition, diese mehr oder weniger zu Missbrauchen beginnen. Die Anzahl der Skandale, die dabei an die Öffentlichkeit kommen, sind nur die kleine Spitze des Eisbergs. Geschichten von Top-Politikern oder CEO’s, die trotz schon hohem Einkommen und vielen Privilegien sich weiter zu ihren Gunsten bereichert haben. So wie ein Kind, wenn man ihm sagt: «Du darfst jetzt soviel Eis essen, wie du möchtest». Was passiert? Das Kind überisst sich. Eis ist meistens eine ideale Mischung aus Zucker und Fett. Zucker und Fett im Gemisch kennt unser Körper nicht, es kommt so in der Natur nicht vor. Wir sind aber programmiert, Energie sofort zu aufzunehmen, wenn wir einmal in den Genuss kommen, denn es könnte für lange Zeit das letzte Mal sein. Und bei einem Gemisch, das der Körper nicht kennt (er wird es vielleicht in mehreren hundert Generationen kennen, dann wenn die Evolution es in unser Programm integriert hat), sind auch die Sättigungssignale ausgeschaltet, respektive kommen erst viel verzögerter ins Spiel.

Mit der Macht ist es dasselbe. Plötzlich können wir uns bedienen, plötzlich können wir über die Energien der anderen und des Unternehmens verfügen. Wow! Das Lernen wir in der Schule so nicht. Und auch nicht aus unserer Evolution. Ja natürlich, auch im Stamm in der Vorzeit in der Savanne gab es das «Alpha-Tier», den Anführer. Und der hatte Privilegien. Aber dort ging es um das Überleben. Und zudem: Hätte er sich den Bauch vollgeschlagen und wäre übergewichtig geworden, wäre er wohl nicht mehr Anführer gewesen. Das Wohl des Stammes stand im Vordergrund. Ging es dem Stamm nicht gut, dann war er nicht mehr Anführer. In einer überschaubaren sozialen Gruppe, in der wir nun einmal früher gelebt haben, konnte man Misserfolg nicht verheimlichen und unter den Teppich kehren. Da ging es nicht, Verluste auszuweisen und sich einen tollen Bonus auszuzahlen. Es gab in dieser Zeit auch kein «zu viel». Sondern der Stamm, der Anführer und jeder Einzelne lebten aus dem Mangel heraus. Die Natur gab auch nicht mehr her, als den Mangel kurz zu sättigen und dann wieder Mangel zu erleben. Übersättigung und Überreizung gab es nicht.

All das ist heute möglich. Und so verlieren die meisten Top-Manager auf dem Weg nach oben das Gefühl zu sich selbst. Der deutsche Psychiater Peter Dogs, der eine grosse Anzahl solcher Manager in deren Krisensituationen betreut, fällt ein drastisches Urteil. Er kenne keinen dieser Manager, die keine persönlichen Probleme hätten. Und meistens sind diese Probleme nicht von kleiner Natur.

«Alles braucht seine Zeit». Ein Satz, den wir oft nicht hören wollen. Weil: Wir möchten vorwärtskommen. Wir möchten unabhängig werden. Wir möchten geliebt werden. Seit Kindesbeinen an. Und dafür tun wir alles. Dafür wiederholen wir die Muster, die uns in unserer Kindheit Liebe gebracht haben. Dies war immer Liebe von Aussen. Je nach Mensch, nach Prägung und nach Kulturkreis sieht dieses Muster anders aus: «Wenn Du leistest, dann habe ich dich gern». Oder: «Wenn du ruhig bist und folgst, dann habe ich dich gern». «Wenn du den Teller aufisst, dann bist du gut». Es sind sehr oft: Bedingungen. Die Liebe, die wir erhalten, ist an Bedingungen geknüpft. Wenn, dann. Wenn so, dann so. Und sonst: Bist du nicht gut. Oder zumindest empfinden wir das so. Weil wir solange mit dem Wenn-Dann konditioniert wurden, bis es für uns nichts anderes gibt, als anzunehmen, dass wir eben nur dann gut sind, wenn wir es genau so und so tun. Und sonst? Sonst haben wir Schuldgefühle. Sonst sind wir selbst schuld. Sonst müssen wir halt büssen.

Eigentlich müssten wir den grossen Versuchungen widerstehen können. Den Versuchungen, über Nacht zu einer von uns ersehnten Fülle zu kommen. Liebe. Macht. Geld. Kraft. Eigentlich müssten wir dankbar sein um den Reifungsprozess. Um die Geduld, die uns dieser Prozess lernt. Wie oft stellen wir im Nachhinein fest: «Das war jetzt doch gut so. Es kam zwar nicht auf einen Schlag, aber ich konnte an der Situation reifen. Und nun gehe ich damit souverän um. Und bin dankbar dafür. Zufrieden. Glücklich. Innerlich ruhig und abgeklärt».


Lust auf mehr?
Dies ist ein Auszug aus meinem Buch “Vom erfüllenden Mangel” (hier bei Amazon kaufen)
Alle meine Bücher bei Amazon
Du möchtest mehr über mein Angebot als Sparring & Coach erfahren: www.alexmarjanovic.com
Du interessierst dich für meine Fotografiekunst: www.alexmarjanovic.com/art

Zurück
Zurück

Energiemanagement beginnt bei der Hygiene – für Körper, Geist und Seele. Für alle drei, seriously? Ja!

Weiter
Weiter

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.