Direktdemokratisches Prognosesystem – und wer hätte es erfunden?

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen kann die Masse der Menschen sehr weise sein.

Wir schreiben das Jahr 1906 und Francis Galton, britischer Naturwissenschafter und Cousin von Charles Darwin, möchte die Dummheit der Menschen untermauern. Wohl frei nach dem Motto: «Jetzt, da ich schon mehrere Orden und Auszeichnungen auf unterschiedlichsten Wissenschaftsgebieten erhalten habe, muss ich noch beweisen, dass die Masse mir wirklich nicht das Wasser reichen kann». Er lässt an einer Nutztiermesse das Gewicht eines Ochsen durch gut 800 Besucher schätzen. Und stellt frustriert fest: Die dumme Masse lag gemeinsam nur 0.8% daneben...

Wir schreiben das Jahr 2004: James Surowiecki, inspiriert von Francis Galton's Ochsen- Experiment, verfasst sein Buch «Die Weisheit der Vielen» (Original: «The Wisdom of Crowds»), indem er die Prognosesicherheit der Masse unter die Lupe nimmt. Surowiecki findet eine Vielzahl von Beispielen, welche für die Massenweisheit sprechen. Und er definiert dabei die notwendigen Bedingungen für deren Funktionsfähigkeit: Meinungsvielfalt, Unabhängigkeit in der Meinungsbildung, Dezentralisierung in der Meinungsanwendung und Mechanismen zur Bündelung von Einzelmeinungen zu einer Meinung.

Wir schreiben nun das Jahr 2013: Das Adam Smith Institute, die libertäre britische Denkfabrik, fordert die «Mitglieder der Öffentlichkeit» auf, an der Prognose der zukünftigen britischen Inflation und Arbeitslosigkeit teilzunehmen. Und so die britische Zentralbank, die «Bank of England», herauszufordern. Der spitzfindige Leser wird sich sagen: Wieso soll das nun funktionieren? Wenn schon die Vorhersagekraft der Aktienmärkte, notabene der bestentwickelten öffentlichen Märkte, sehr fehlerhaft ist, dann wird das Resultat hier erst recht unterdurchschnittlich!

Unterdurchschnittlich ist hier aber gerade diese Annahme: Die Aktienmärkte gehören zu den ineffektiveren Märkten, sogar noch weniger effektiv als Pferdewetten. Weil die Meinungsbildung stark abhängig ist von der Haltung der anderen Teilnehmer und weil der Wetteinsatz kein zeitliches Limit aufweist. Schon Derivatmärkte erfreuen sich grösserer Effektivität. Erfolgreich an Aktienmärkten sind (meistens) nur Investoren, also jene Anleger, welche ihren Entscheid unabhängig von der Masse treffen.

Unabhängigkeit ist Erfolg. Wir Schweizer wissen es. Direkter Demokratie sei Dank. Und vielleicht eifern uns die Briten nun nach. Denn, schliesslich und endlich, ist die Prognose von ökonomischen Kenngrössen nichts anderes und nichts mehr als ein demokratisches Wahlverfahren. Aber auch nicht weniger. Die gut 800 FreiTag-Leser können sich gerne eine Meinung bilden. Aber nicht abschreiben, bitte...

Dreizehnter September Zweitausendunddreizehn

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