Hörst du dir selber zu - oder weg?

Dies ist ein Auszug aus meinem Buch “Zum Ausklang im Einklang”

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie zu jemandem reden. Und Sie merken, dass die Person, während Sie reden, einem anderen Gespräch zuhört? Sie fühlen sich nicht wahrgenommen und nicht anerkannt. Am liebsten würden Sie dann reagieren wie ein Kind. Und dem gegenüber wütend und von unten hochschauend ans Bein stüpfen. «He, du hörst ja gar nicht zu.»

Das tut dann beim Gegenüber weh.

Das Bein. Und das Herz.

Genau so, wie wir uns fühlen, fühlt sich auch unser inneres Kind, wenn wir ihm nicht zuhören. Wenn wir uns selber nicht zuhören. Dann schreit dieses innere Kind nach Aufmerksamkeit. Unser Ich stüpft und schreit uns an. «He, du hörst mir ja gar nicht zu.» 

Aber wir realisieren dieses Schreien nach unserer eigenen Anerkennung kaum. Wir hören uns selber, unserem inneren Kind nicht zu. Es ist uns gerade nicht so wichtig. Weil: Wir trauern gerade der verflossenen Liebe nach. Der verflossenen Liebe, die uns die Liebe nicht mehr gibt, die wir doch so sehr brauchen, um uns selber zu lieben. Denken wir.

Wir trauern einer verflossenen Liebe nach und einem Menschen, den wir eigentlich aber schon lange aus den Augen verloren haben. Den wir schon aus den Augen verloren haben, als wir ihn jeden Tag vor uns sahen. Warum so etwas geschehen kann? Weil vom Startpunkt der Vereinigung aus ein jeder der Partner jeden Tag ein kleines Grad abweichend in seine eigene Richtung weitergeht. Die geringste Abweichung reicht jedoch bereits aus, um irgendwann emotional so weit auseinander zu sein, dass man sich nicht mehr sehen kann. Die grosse Liebe von damals, einfach weg. Körperlich zwar noch da, aber gedanklich ganz woanders. Nur einer oder vielleicht auch beide. Und dann sitzen sich zwei komplett fremde Menschen gegenüber, in einer Beziehung, in welcher keine gemeinsamen Bezugspunkte mehr auszumachen sind. Und vom herrlichen Einklang des Anbeginns nur noch ein nervtötendes Rauschen übrig geblieben ist. Weil man nie einen Frequenzabgleich gemacht hat. In der Annahme, «das schaffen wir schon irgendwie». Solange, bis man es nicht mehr schafft. Und dann beginnt zu suchen. Und zu grübeln. Die farbige bunte Welt ist unmerklich Schwarz-Weiss und düster geworden. Wie im Film «Der Zauberer von Oz» nach dem gleichnamigen Buch von Lyman Frank Baum. Es ist nur einer von insgesamt vier Filmen aller Zeiten, welche zum Weltdokumentenerbe der UNESCO gehören. In der Erzählung findet sich das Mädchen Dorothy mit ihrem Hund Toto plötzlich im magischen Land «Oz» wieder. Alles was sie dann aber nu möchte, ist wieder zurückzugehen in ihre Welt, zurück nachhause. Man sagt ihr, dabei könne ihr nur der mächtige Zauberer von Oz helfen. Also macht sie sich auf den Weg. Und findet Weggefährten. Eine Vogelscheuche ohne Verstand, einen Zinnmann ohne Herz und einen Löwen ohne Mut. Sie alle drei erhoffen sich ebenfalls, Hilfe vom Zauberer von Oz zu erhalten. Verstand, Herz und Mut. Und so kommen sie endlich, nach vielen Wirren und Erlebnissen zum grossen Schloss des Zauberers und betreten es. Und vor ihnen erhallt ein gigantischer Kopf, umgeben von Feuer, der zu ihnen zu sprechen beginnt. Und sie erzittern lässt. Es ist der Zauber von Oz. Er sagt ihnen, sie sollen gehen, er könne ihnen nicht helfen. Und während sie vor Ehrfurcht erschaudern, zieht Toto der Hund an einem kleinen Vorhang, hinter welchem ein kleiner alter Mann irgendwelche Geräte bedient. Der Zauberer schreit «Achtet euch nicht auf den Mann hinter dem Vorhang.» Aber sie achten sich doch. Und sehen, wie der kleine alte Mann in ein Sprachrohr hineinredet. «Achtet euch nicht auf den Mann hinter dem Vorhang.» Sie gehen zu ihm, und fragen ihn, wer er denn sei. Und er schaut sie verdutzt an. Und plötzlich ist die Magie verflossen. «Ich», stottert der alte Mann «ich bin der Zauberer von Oz.» Und alle sind empört, empört, weil ihnen nun niemand helfen kann. 

Doch, es kann dir immer jemand helfen. Du dir selbst. Die Vogelscheuche hat Verstand, der Blechmann hat Herz und der Löwe hat Mut. Und Dorothy? Dorothy muss nur dreimal mit ihren roten Zauberschuhen diese aneinanderschlagen, und schon erfüllt sich ihr sehnlichster Wunsch. Die Herausforderung besteht dabei nicht darin, sich den Wunsch zu wünschen. Sondern überhaupt zu wissen, was der sehnlichste Wunsch ist.

Wie wahr.

Jeder kann sich selbst helfen. Aber im Endeffekt nur sich. Nur sich selbst weiterbringen. Nie jemand anderen. Auch nicht jenen Menschen, den er irgendwann zu Beginn so unendlich liebte. Und dabei am meisten Angst hat, ihn zu verlieren. Jenen Menschen und Partner, der für ihn am Anfang alles war. In welchem er alles sah, was er nicht hatte. Bis er mit den Jahren immer mehr nur noch das wahrnahm, was ihn stresste. Dabei ist dies nie der Partner, den wir sehen, nein es im Partner das Abbild unseres eigenen Schattens und somit unserer selbst. Im Partner sieht man am Anfang sein Licht. Und am Ende seinen Schatten. Am Anfang die Begeisterung dessen, was der andere hat und man selber haben möchte. Und wirklich auch hat, tief in sich, aber es sich nicht bewusst ist. Am Ende sieht man all das im Gegenüber, was einem stresst, am anderen stresst. Stressen kann uns aber am anderen nie etwas, dass uns in uns selber nicht stresst. Ausgeschlossen. Der Stress am Partner ist der Stress an uns selber und unserem unbewussten Schatten. Intensive Partnerschaft ist nichts anderes als ein ganz simpler mächtiger Wachstums-Spiegel ist. Liebe und Angst, beides gleichzeitig. Am Anfang eine Angst, die grosse Liebe des anderen zu verlieren und am Ende die Angst, die Liebe zu sich selbst wegen dem anderen aufzugeben. Dies erkennt man umso besser, je ähnlicher sich die Partner sind. Je ähnlicher sie sind, desto mehr bekommt man den eigenen Spiegel vorenthalten. Desto besser könnte man dies auch als Chance nutzen, diesen Einklang des Gemeinsamen, dieses «Gleich und Gleich zieht sich an» auszunutzen für das persönliche Wachstum, für die persönliche Schattenarbeit. Denn der Schatten steht direkt vor einem.

Ist es nicht ein Paradox? Wir gehen in jede Beziehung mit grösster Liebe und grösstem Enthusiasmus. Die Beziehung mit dem Partner, mit dem Beruf, mit der Berufung, mit dem Sinn und mit dem Leben als solches. Wenn wir an dieser Beziehung nicht arbeiten, nicht uns stets wieder mit der Beziehung auseinandersetzen, mit uns, so verlieren wir den Bezug zu dieser Beziehung. Leider. Und irgendwann fehlen jegliche Emotionen dazu. Nur bei einer einzigen Beziehung geht es gerade den anderen Weg: Bei der Beziehung zu unseren tiefsten Ängsten. Die uns genau dann vereinnahmen, wenn wir es gerade am wenigsten wollen. Und je mehr wir sie weghaben wollen, desto mehr ist sie da und präsent und stresst uns. Ein Paradox? Nein. Denn, genau wie mit den anderen Beziehungen auch, arbeiten wir auch an der Beziehung zu unseren Ängsten nicht weiter. Wir denken zwar die ganze Zeit an unsere Ängste, und sie nehmen uns ein, immer mehr, aber wir vermieden es meistens um jeden Preis, in die Beziehung zur Angst hineinzutauchen. Wir gehen nicht in die Angst hinein. Wir stellen uns unserer Angst nicht. Sondern stehen aussen vor. Und hoffen, dass die Angst verschwindet. Aber das tut sie nicht. Wir können erst mit unserer Angst umgehen lernen, wenn wir uns unserer Angst stellen. Und das passiert nur über einen einzigen Mechanismus, nämlich das direkte Erleben. Mit allem, was dazu gehört. Wenn wir dies bewusst tun, dann erleben wir viel schneller, als wir es vermuten würden, dass diese Angst gar nicht so schlimm ist. Und dass man sie durchaus aushalten kann. Sie verliert an Bedeutung und wird zu einem akzeptierten Teil von uns. Ein Beispiel dazu: Erst wer alleine ist, verliert die Angst vom Alleinsein. Aber nur dann, wenn er sich diesem Zustand ergibt, ihn wertfrei akzeptiert und nicht andauernd versucht, wieder daraus zu fliehen. Erst wer arbeitslos ist, verliert die Angst vor der Arbeitslosigkeit. Aber erst, wenn er diese Angst loslässt und in die achtsame Erfahrung dessen geht. Ist das einfach? Nein, es ist alles andere als einfach. Aber es ist der einzige Weg hinaus aus der Angst – die Akzeptanz, dass es so ist, wie es ist. Erst dann werden wir frei, um mit klarem Kopf und Herz die für uns richtigen nächsten Schritte zu tun. Erst wenn wir die Situation so akzeptieren, wie sie ist, können wir den nächsten Schritt gehen. 

Aber meistens sind wir eben schon vor diesen ersten Schritten im Geiste am Ende. Geben auf. Geben uns geschlagen.

«Was hast du zu verlieren?»

«Was habe ich zu gewinnen?»

Falsch. Wer gewinnen will, der muss mit einem Verlust rechnen. Was er aber meist nicht tut. 

«Ich kämpfe um meine Beziehung.»

Falsch. Beziehung ist kein Kampf. Weder mit dem anderen, noch mit sich. Im Kampf hat man noch nie etwas aufgelöst, sondern nur zerstört. Verspannt. Blockiert.

Aber wer sich sagen kann «was habe ich denn schon zu verlieren?», der öffnet eine Türe, etwas Neues zu gewinnen.

Denn, wenn wir nur herumschreien und um uns herumschlagen, weil wir nun das Opfer sind, welches verloren hat, welches den Kampf verloren hat, dann sagen wir damit nur eins: «Ich habe mich verloren.»

Das innere Kind schreit nach Aufmerksamkeit. Und wir trauern der verflossenen Liebe nach.

Bis das eigene Kind das Haus verlässt.

Gemeinsam, alle zusammen, am Küchentisch zu sitzen und zu Abend zu Essen.

Das Kind ist weg. Und der Tisch leer.

Das Leben geht weiter. Und kommt erst wieder zu uns, wenn uns das Kind besucht. Und mit uns wieder am Tisch sitzt. Und mit uns isst. Mit uns ist. Manchmal geht das eine Woche. Manchmal einen Monat. Manchmal nur ein Weihnachten. Dann freuen wir uns schon Tage und Wochen zum Voraus. Planen das Essen, tüfteln am Menu. Um dem Lieblingsessen des Kindes so nahe wie möglich zu kommen. Des Kindes, das nun ein Erwachsener ist. Und das Kind in uns zurückgelassen hat. Unser inneres Kind. Ganz alleine. Einmal mehr.

Gemeinsam, alle zusammen, am Küchentisch zu sitzen und zu Abend zu Essen.

Auch wenn es nur eine oder zwei Stunden ist. Wir sind wieder eine Familie.

Gemeinsam, alle zusammen, am Küchentisch zu sitzen und zu Abend zu Essen.

Nur noch einmal. Im ewigen Leben diesen Moment noch einmal erleben. Noch einmal Leben.

«Iss jetzt endlich auf! Gottverdammt, nie esst ihr alles auf! dabei habe ich mir so Mühe gegeben. Macht doch jetzt nicht so einen Kopf! Ihr zieht mir noch den letzten Zahn, ich kann nicht mehr. So, ab jetzt in euer Zimmer. Dann habe ich endliche Ruhe für ein paar Minuten!»

Die Zeit am Tisch will nicht vergehen. Die Minuten werden zu Stunden.

Nichts wünschen wir uns weniger.

Nichts wünschen wir uns mehr.

Gemeinsam, alle zusammen, am Küchentisch zu sitzen und zu Abend zu Essen.

Ist es nicht die Ironie des Lebens? Oder ist es der Zauber?

Was man hat, ist Alltag, was man nicht hat, ist Sehnsucht.

Sehnsucht. Die Sucht es zu sehen.

Was hindert dich daran?

Schliess die Augen. Dann siehst du es. In deinem Herzen ist es immer da.

Dann, wenn wir uns selber begegnen. In uns drin.

Ein Trick in der Meditation besteht darin, die Augen zu schliessen, und sich auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren. Ein Gefühl im Körper. Oder ein Geräusch im Aussen. Immer dasselbe. Und zuzuhören. Und sich davon nicht ablenken zu lassen. Und wenn Gedanken kommen, denen man sich widmen möchte, dann ist dies wie der Gesprächspartner, dem man etwas Wichtiges am Erzählen ist und der abgelenkt noch einem anderen Gespräch zuhört. Dieses andere Gespräch sind unsere Gedanken. Wir führen den Fokus zurück auf das spezielle Gefühl oder Geräusch. Oder auch die Stille. Eckhard Tolle sagt «Versuche die Stille zu hören, auch im grössten Lärm.» Und Steven Spielberg beschrieb die Intuition als ganz leises Flüstern, auf das man sich besonders achten müsse, sonst nehme man es gar nicht war.

Zuversicht ist leise. Unsicherheit ist laut.

Wir erkennen den Wert von etwas erst, wenn wir es nicht mehr haben.

Wäre es nicht einfach wunderschön, etwas für immer zu haben?

Sie sagen: «Dann verleidet es einem? Dann kommt Routine ins Spiel?»

Wirklich?

Sind Sie sich selber verleidet? Mögen Sie sich nicht mehr leiden? Mochten Sie sich selber nie?

Sich selber haben Sie immer. Immer. Ohne Pause. Anders geht es gar nicht.

Mögen Sie sich? Lieben Sie sich?

Stellen Sie sich vor - Sie lieben sich. Und diese Liebe ist stets da. Sie lieben sich. Und Sie schwingen in der Frequenz der Liebe. Und was Sie aussenden, das ziehen Sie an. Weil Sie in Resonanz gehen.

Übrigens, auch wenn Sie in Dissonanz sind, sind Sie in Resonanz. Mit der Dissonanz.

Sind Sie mit sich in Dissonanz?

Wirklich mit sich? Oder mit Teilen von sich? Mit Teilen von sich, die irgendwie gar nicht Sie sind. Das Cholerische des Vaters, die Ungeduld der Mutter. Die Unzuverlässigkeit des Grossvaters. Und die Weinerlichkeit der Grossmutter. «Das bin nicht ich! Ich mag das nicht!»

Und schon sind Sie wieder in Resonanz mit diesem Charakterzug. Einem Charakterzug der Familie. We are family.


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Dein 30 Jahre jüngeres ich fragt dich damals und du antwortest heute. Was antwortest du?

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Aus dem Alltag einer Beziehung, oder “Geht es denn nur mir so?”