Das Leben ist wie Tiefseetauchen und Wellenreiten zugleich. Hoppla, heavy. Easy, las los..

Dies ist ein Auszug aus meinem Buch “Vom erfüllenden Mangel”

Der französische Rekordhalter im Freitauchen, Guillaume Néry, zeigt in seinem Referat das Prinzip des Loslassens als Kontrapunkt zur ursprünglichen gewohnten Einstellung eindrücklich auf. Er erzählt dabei die Geschichte und die Empfindungen seines Tauchgangs vom letzten Atemzug vor dem Eintauchen bis zum ersten Atemzug nach dem Auftauchen und dazwischen dem Tauchgang bis auf 128 Meter Tiefe, bis zu seinem Rekord.

(Wer dieses einmalige Referat, einer meiner alltime favorites, mit der einzigartigen Analogie zum Leben sehen möchte, hier…”Guillaume Néry, The Exhilarating Peace of Freediving”, aber zuerst fertiglesen, einverstanden…?)

Er beschreibt die unterschiedlichen Tiefen-Meilensteine, in denen sich etwas Massgebendes sich im Körper verändert. Der eindrücklichste Moment dabei passiert auf etwa 80 Meter Tiefe. Dort wird der Druck des Wassers so hoch, dass der Körper sich reaktionsartig gegen diesen Druck zu wehren beginnt. Genau das ist aber das Gegenteil dessen, was er sollte, um sein Überleben zu sichern. Denn, wehrt sich der Körper mit Anspannung gegen diesen Druck, riskiert der Taucher, dass seine Lunge dabei verletzt wird. Der Taucher muss hier das Gegenteil erlernen und einüben: Er muss komplett loslassen und den Fähigkeiten seines Körpers vertrauen. Er muss in den steigenden Druck des Wassers hinein loslassen, mit dem Vertrauen, dass sich sein Körper der Situation anpasst. Nur wenn ihm das gelingt, und der Körper in eine maximale Entspannung und mit kompletten Vertrauen in diesen Druck hineingleitet, kann er unbeschadet weitertauchen. Das Gefühl dabei sei unbeschreiblich und von grosser Freiheit, erzählt Guillaume Néry.

Jetzt kann man natürlich sagen: «Nun gut, alles eine schöne Geschichte, aber was soll ich damit anfangen, das Leben hier oben sieht anders aus!».

Das Leben hier oben mag anders aussehen, aber unsere Reaktionen auf steigenden Druck, wenn uns die Schwingung und Welle des Lebens nach unten mitzieht, ist - ungeübt - dieselbe. Anspannung. Krampf. Stress. Angst. Aber zu selten loslassen. Natürlich ist «Loslassen» nicht etwas, das man von heute auf morgen beherrscht, aber es ist ebenfalls etwas, das man trainieren kann. Wir können die Einstellung «Loslassen» erlernen. Und auch hier ist der Atem der Hauptausgangspunkt.

Kommen wir zurück zum Wellengang und den Schwingungen. Schwingung erzeugt Energie. Die Bewegung des Auf und Ab ist Energie. Sind wir uns dieses Energieprinzips bewusst, so gelingt es uns auch immer besser, daraus Energie zu gewinnen. Konkret bedeutet dies, nicht den ewigen Zustand der Homöostase, also des Gleichgewichtspunktes zu suchen und diesen festhalten zu wollen, sondern die Schwingungen, die Hochs und Tiefs, welche wir andauernd erleben, zu nutzen, um daraus Energie zu gewinnen. Dies erfordert Übung. Das Verständnis dafür befreit aber zugleich. Es befreit, weil wir plötzlich unseren Zustand achtsamer zu beobachten beginnen. Uns selbst achtsamer beobachten und immer besser verstehen, warum wir uns in welchem Zustand befinden. Dies beginnt damit, dass wir bewusst zu realisieren lernen, wie sich unser Zustand ändert. Auch wenn wir gar nichts dazutun. Auch wenn wir völlig in Ruhe und wohlig dasitzen, alles bestens ist und wir vollkommen eingemittet sind: Irgendwann verspüren wir den Drang und die Ungeduld weiterzugehen. Wir werden selbst in grösster Ruhe rasch kribbelig. Geschweige denn, wenn wir von Aussen stets Einflüsse verarbeiten müssen. Dann wird es noch schwieriger für uns, in Entspannung zu kommen. Und so schwingen wir uns durch den Alltag. Nicht umsonst spricht der Volksmund von der Tagesform.

Wie oft haben wir es auch erlebt, dass wir das Gefühl hatten «So, jetzt habe ich den Dreh raus, jetzt weiss ich, was ich tun muss, um für immer in diesem tollen Moment innerer Ruhe und Ausgeglichenheit zu sein!». Sie spüren dieses Gefühl, geniessen es, sind voll im Moment und nichts kann Ihnen dieses Gefühl nehmen. Zum Beispiel das Gefühl, endlich am Morgen Ihr Ritual gefunden zu haben, dass Sie genau perfekt auf den Tag vorbereitet. Oder auch im Sport, wenn Sie das Gefühl haben, jetzt wüssten Sie genau wie es anpacken. Und dann? Dann kommt derselbe Moment wieder und dieser so ersehnte Zustand ist weniger intensiv und irgendwie nicht mehr so voll da. Dabei haben Sie alles gleich gemacht. Sie kommen ins Grübeln, denken nach, analysieren den Ablauf und was Sie wohl nicht ganz richtig gemacht haben.

Doch! Sie haben alles richtig gemacht. Selbst wenn Sie den Moment nun hundert Mal genau gleich und genau gleich schön erlebt haben: Die Veränderung der Intensität muss Ihnen nicht Angst machen. Es ist völlig natürlich, dass derselbe Moment, dieselbe Handlung in der Wiederholung leicht anders wahrgenommen wird. Weil wir in einem andauernden Fluss und einer permanenten Schwingung uns bewegen. Und nie am selben Ort der Welle stehen. Der Moment verändert sich stets weite,  er schwingt stets weiter. Das ist ein Naturgesetz. Tag und Nacht. Die Jahreszeiten. Oder der Herzschlag. Der Herzschlag entsteht aus der Differenz i m Druck der beiden Herzkammern. Erst diese Differenz lässt das Herz in Bewegung kommen und Energie über unser Blut durch unseren Körper pumpen. Was ist diese Differenz im Endeffekt? Ein Mangel. Durch das Bestreben, diesen Mangel, diesen Druckunterschied in den Kammern auszugleichen, kommt das Herz in Bewegung. Es entsteht, wie die Engländer sagen «Energy in Motion». E-Motion. Emotion.

Wer das Leben erleben will, wortwörtlich, wer Emotionen, also die Energie in Bewegung spüren will, der kommt um Schwingung in Hochs und Tiefs nicht herum. Der muss die Schwingung seines Lebens bewusst als fundamentalen Teil seines Seins und seiner Existenz akzeptieren und sich bewusst werden, dass das Leben ein stetiger Akt der Gleichgewichtsfindung ist. Wie auf dem Balance-Brett. Je besser wir zu balancieren lernen, desto besser sind wir fähig auch stärkere Schwingungen und Wellenbewegungen souverän und ruhig wieder auszugleichen und uns selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Erinnern Sie sich von Ihrer Kinderzeit her an die Drehscheibe auf dem Spielplatz. Nicht das Karussell, sondern die Drehscheibe. Eine Scheibe, die leicht schräg aufgestellt war, über dem Boden, in der Mitte war eine Stange und an der Stange ein fixes «Lenkrad», das nicht für das Lenken, sondern zum daran festhalten gedacht war. Wenn Sie nun langsam begannen, mit eigenem Druck und Ihren Beinen die Drehscheibe zu bewegen, kam diese in Schwung. Was passierte nun? Sie brachten die Scheibe immer mehr in Rotation und Schwung. Und dann? Wenn Sie sich nun einfach treiben liessen, dann verloren Sie das Gleichgewicht und riskierten ab der Scheibe zu fallen. Um entspannt auf der Scheibe zu bleiben, mussten Sie mit der Scheibe mitdrehen und mitschwingen lernen. Sie mussten lernen, sanfte Bewegungen und Gegenbewegungen anzuwenden. Je feiner Ihre Motorik wurde, desto einfacher war es, das Gleichgewicht zu halten.

Genauso ist es in allen Belangen des Lebens. Das Leben ist eine Drehscheibe auf dem Kinderspielplatz. Wir geben an, drehen los und dann sind wir gefordert zu balancieren. Je stärker die Fliehkräfte, desto intensiver das Erlebnis und der Moment. Desto mehr sind wir aber gefordert, in Interaktion mit der Drehscheibe zu sein.

Die aktuellen Erkenntnisse der Physik vereinen dies in der sogenannten «Constructal Theorie». Diese Theorie besagt, dass jedes natürliche System bestrebt ist, sich stets so weiterzuentwickeln, dass der Energiedurchfluss um System maximal ist. Die Theorie entstand anhand der Beobachtung unterschiedlichster Formen in der Natur, die sich am Ende alle sehr gleichen. Von der Verästelung eines Baumes in seine Wurzeln und Blätter bis hin zur Form eines Blitzes, alle zeigen eine ähnliche Form im Bezug auf den Durchfluss von Energie auf. Es liegt also in System der Natur und der Physik, den Durchfluss der maximalen energetischen Schwingung mit seinem Hoch und Tief durch seine Entwicklung und Anpassung anzustreben! Das System ist also permanent daran, sich und seinen Energiedurchfluss optimal auszubalancieren.


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