Aus dem Alltag einer Beziehung, oder “Geht es denn nur mir so?”

Dies ist ein Auszug aus meinem Buch “Zum Ausklang im Einklang”

Ich habe längere Zeit 80 % gearbeitet. Also, ich war an vier Tagen Arbeitnehmer einer Firma. Gegen bezahlten Lohn. Gearbeitet habe ich 7 Tage. Wie jeder von uns auch. Emel war nach der Geburt längere Zeit Mutter und arbeitete zu Hause. Ohne Bezahlung. Denn Sinn im Leben finden, nicht im Geld.

Wer will das schon nicht?

Ich wollte es. Ich wollte erleben, wie der Alltag zu Hause ausschaut. Ich meinte, es sei das Leben, das ich finden würde. Aber es war der Alltag. Was am Ende der Erkenntnis dasselbe ist, aber eben erst am Ende. Und ich stand erst am Anfang. 

Und als Emel wieder zu arbeiten begann, erhöhte ich mein Pensum zu Hause. Ich war der Hausmann am Freitag. Und ich strukturierte den Wochenablauf bewusst so, dass einige Aktivitäten der Kinder, damals 9, 7 und 4 auf meinen Tag vielen. Und dieser Tag sah dann so aus: Emel ging am Morgen früh arbeiten. Ich bereitete das Frühstück, die Schulsachen der beiden älteren Kinder vor, jeder frühstückte, dann gingen sie aus dem Haus. Ich duschte kurz, Dennis den Jüngsten stets auch noch ein wenig im Auge, bereitete ihn für die Spielgruppe um neun vor, packte seinen kleinen Rucksack, stellte sicher, dass kleidungstechnisch wie schon bei den älteren beiden alles stimmte, dann fuhren wir los nach Bönigen, fünf Minuten Autofahrt von uns. Ich brachte ihn zur Spielgruppe. Und dann? Dann hatte ich zwei Stunden, bis ich ihn wieder holen musste, um elf. Wie lange sind zwei Stunden? Um bei sich anzukommen? Um etwas in den Tag zu gleiten. Zwei Stunden sind dann etwa zehn Minuten. Ich kaufte mir bei schönem Wetter beim Bäcker in der Nähe einen Milchkaffee und einen Nussgipfel und setze mich ans Ufer des Brienzersees. Schaute in die Ferne des wunderschönen türkisfarbenen Sees, genoss die erfrischenden Brisen des Morgens, genoss meinen Proviant und beobachtete die Spatzen, wie sie die Nussgipfel-Brösel rund um meine Füsse frech und fröhlich wegpickten. Zehn Minuten, die mir bis heute wie ein Moment der Ewigkeit vorkommen. Zehn Minuten der Glückseligkeit.

Im Auge des Sturms ist es bezaubernd still.

Still stand ich dann auf, die Gedanken schon beim Einkauf. Also stieg ich ins Auto, fuhr in den Coop, kaufte ein für den Mittag und für das Abendessen und alles, was es sonst noch so braucht. Stets auf die Uhr schauend.

Es gibt für Eltern aus ihrem Gewissen heraus betrachtet nichts herzzerreissenderes als das Bild eines Kindes, das alleine als letztes auf seine Eltern warten muss, während alle anderen schon abgeholt wurden. 

Als wir die Zeit und die Uhr einführten, hatten wir plötzlich keine Zeit mehr. Dafür aber stets ein schlechtes Gewissen der Unpünktlichkeit.

«Ich habe keine Zeit, ich muss weiter.» Eine gängige Kurzkonversation im Einkaufscenter. Mit vielfältigem Hintergrund. Jederzeit einsetzbar.

«Ich habe keine Zeit, ich muss weiter.»

Dennis wartet, wie die anderen Kinder, im Korridor der Spielgruppenstätte. Ich bücke mich, sammle aus der Menge unendlich erscheinender Kinderschuhe seine zwei heraus, ziehe ihm sie an, stehe gekrümmt wieder auf und wir fahren nachhause. Wo ich in die Küche gehe, das Eingekaufte auspacke, den Herd anstelle und zu kochen beginne.

«Was soll ich bloss kochen?»

Wer kennt diese Frage nicht? Bei sich selber oft schon schwierig genug. Bei Gästen noch etwas mehr. Und bei Kindern? Oft gefühlt unlösbar.

Ich habe schon für zwanzig Gäste acht Gänge gekocht. Alles eigene Rezepte.

«Was soll ich bloss kochen?»

Bei drei Kindern habe ich oft das Gefühl, ist dies die herausforderndste Anzahl. Auf ihre Weise. Beim Essen. Ich denke oft, so ab vier oder fünf Kindern kommt man in den Modus «Militär». «Funktionieren». Fassstation. Bei drei scheint irgendwie noch die Individualität durch, es dem Kinde recht zu machen. Nicht im Sinne, jedem etwas anderes zu kochen. Aber sich auf die einzelnen Bedürfnisse doch irgendwie einzulassen. Nicht einfach das zu kochen, was es gibt, weil es das gibt, was es gibt. Sondern in Friedensmission. Für den Tischfrieden. «Gerichte für den Tischfrieden in jungen Familien.» Wäre wohl ein Kochbuch, das Erfolg haben könnte.

Also koche ich. Pasta. Basta. Tischfrieden.

«Was gibt es heute?»

Der erste Satz, wenn ein Kind nachhause kommt. Noch bevor es die Küche erspäht.

Die Antwort ist dann einfach, wenn man etwas am kochen ist, dass ein Lieblingsgericht des Kindes ist. Dann reicht der Name. Je unlieber das Essen, desto länger wird die Beschreibung. Wie so oft im Leben. Am besten erkennbar in der Liebe.

«Liebst du mich?»

Eine kurze, aber die essenziellste aller Fragen. Und die Antwort?

Die Liebe sinkt mit der Länge der Antwort.

«Hast du es gern?»

Ein gängiger Teil des Tischgesprächs am Mittag. Emel ist auch zurück, alle sind da, drei Kinder, eine arbeitende Frau und ein Chaos in der Küche.

Nirgends löst sich die eingesteckte Arbeitszeit schneller auf wie am alltäglichen Mittagstisch. Stunden von Einkauf, Vorbereitung, Kochen und Tisch decken verschwinden in wenigen Minuten im familiären Verdauungstrakt jedes einzelnen. Das muss man erst einmal verdauen. Als jener, der die Energie dort reingesteckt hat. Aber dazu bleibt erstmal keine Zeit. Emel geht wieder früh zurück ins Büro, ich räume den Tisch und die Küche auf. Am Nachmittag steht Schwimmen der beiden jüngeren und Tennis des Ältesten auf dem Plan. Ich will ja einen richtigen Tag zu Hause erleben. Einen Tag, an welchem ich kaum zu Hause bin. Weder physisch, noch mental. Bei mir.

Ich bin bei den Kindern. Bereite ihre Schwimm- und Tennissachen vor. Dann geht es los. Dennis und Ella werden um 15 Uhr zum Schwimmen gefahren, Ferris wartet kurz im Auto. Ich gehe hoch in die Garderobe, ziehe meine Schuhe aus, helfe beim Ausziehen und Umziehen, bringe sie durch die Nasszone zum Hallenbad-Eingang. Winke ihnen zu, gehe zurück, ziehe meine Schuhe wieder an, gehe zum Auto, bringe Ferris zur Tennishalle. Lasse ihn aus dem Auto, winke zu, sage ihm nochmals, wann ich ihn wieder abhole, und dass ich hier warten werde, und fahre zurück zum Hallenbad-Parkplatz. Dort parkiere ich mein Auto, steige aus, nehme meine Kopfhörer hervor, lasse die Musik an. Und gehe auf einen kurzen Spaziergang entlang der Aare. Sitze kurz auf eine Bank und schaue zu, wie das Wasser vorbeifliesst.

Das Leben fliesst.

Unwiderruflich.

Unwiderruflich erinnert mich meine Uhr, dass ich zurück muss. Sie reisst mich aus meinem inneren Fluss zurück in den äusseren Fluss. Ich komme kurz ins Stocken. Wie jedes Mal, wenn es aus dem Innen ins Aussen geht. Flusswechsel. Wirbel, die einem runterziehen. In unserer Zeit gibt es immer mehr solche Wirbel. Mal sind sie schwächer, mal stärker. Und manch einer kommt plötzlich nicht mehr heraus. Gefangen im Wirbel inmitten des inneren und äusseren Flusses. Und es dreht sich alles nur noch. Um alles. Nur nicht um sich selbst. «Was ist bloss aus mir geworden?» Du schaust in den Spiegel. Und fragst dich «Wo sind alle meine Träume geblieben?»

Schau in den Spiegel. Schau genau hin. Wen siehst du? Du siehst dich. Und wer bist du? Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben. Jener Mensch, zu dem du am meisten und am intensivsten Bezug hast. Schau ihn an. Kannst du ihm in die Augen schauen? Siehst du noch sein Feuer? Suche es, aber nie die Schuld.

«And I’ll be there for you.»

Niemand trägt Schuld.

Ich gehe zurück zum Hallenbad, ziehe die Schuhe aus, hole die Kinder beim Eingang ab, gehe mit ihnen in die Dusche, verteile das Duschshampoo, helfe ihnen mit den Badetüchern und beim Haare föhnen und beim Anziehen. Ziehe meine Schuhe wieder an, und wir fahren zur Tennishalle. Warten auf Ferris, er steigt ein, wir fahren nachhause.

«Was gibt es zu Essen?»

«Wir schauen mit Mama.»

Wir sind zu Hause, es ist früher Abend, und für mich gefühlt schon Mitternacht. Emel kommt nachhause.

«Was gibt es zu Essen?»

Der Mann braucht Sex, um zu entspannen, und die Frau muss entspannt sein, um Sex zu haben.

Emel ist müde. Der Arbeitstag war lang. Jeden Tag. Ob als Mutter oder gegen Bezahlung. Ich bin müde. Der Arbeitstag war lang. Jeden Tag. Ob als Vater oder gegen Bezahlung.

Wir stehen da. Mitten im Leben. Und doch neben den Schuhen.

Als ich von meinem Bankjob jeweils nachhause kam, war ich froh, zu Hause abzustellen, endlich angekommen zu sein. Ende des Arbeitstages. Als Emel von ihrem Job nachhause kam, bin ich froh, dass sie zu Hause ist. Endlich angekommen. Ende meines Arbeitstages, jemand ist jetzt da, um zu übernehmen.

Der Mann braucht Sex, um zu entspannen, und die Frau muss entspannt sein, um Sex zu haben.

Eine unüberbrückbare Situation.

Wir stehen da. Mitten im Leben. Und doch neben den Schuhen. Müde. Einfach nur Müde.

«Geht es denn nur mir so?»

Das fragte sich Andrea Jansen auch. Andrea Jansen, Unternehmerin und Fernsehfrau.

«Bin ich die einzige Mutter auf dieser Welt, die das Gefühl hat, es ist zu viel?» Im Internet hatte sie, die alles recherchiert und sich auf alles bestens vorbereitet, fast nichts gefunden. «Ich bin im Leben immer jemand, der sich auf alles vorbereitet. Und das dachte ich bei der Geburt meines ersten Kindes auch. Ich dachte ‚Ich bin vorbereitet‘. Aber ich stellte relativ sofort nach der Geburt fest ‚Du kannst dich auf alles vorbereiten, aber nicht auf ein Kind‘.» 

Also begann sie mit einem Blog. «Any working mum.» Auf der Blogseite steht gross geschrieben: «Any Working Mom ist ein Blog über die Vereinbarkeit vom Elternsein und dem Ich.»

Gross war auch der Shitstorm, der auf einen der Gastbeiträge folgte. Den Gastbeitrag einer Frau, die über ihre sexuelle Unlust zu ihrem Ehemann schrieb.

«Ich habe keine Lust mehr auf Sex.» So der Titel ihres Beitrags. Sie sagt, wenn sie mit jemandem Sex haben wollen würde, dann mit ihm. Aber gleichzeitig erstarrt sie zu Stein, wenn er sie küssen möchte. «Das Thema ist allgegenwärtig, und je weniger ich will, desto präsenter ist es.»

«Denken Sie nicht an den rosa Elefanten.» An was denken Sie jetzt gerade?. Je mehr wir etwas unterdrücken wollen, desto präsenter wird es.

Sie fragt sich weiter «Warum ist es ganz ok, Sex zu wollen - und gar nicht ok, keinen Sex zu wollen.» Mit der sehnlichen Schlussfrage, hilflos und verärgert: «Warum gibt es eigentlich keine Pille gegen die Lust der Männer?»

Mit dieser Pille kamen die Wallungen hoch. Bei der Leserschaft. Und die Debatte nahm kein Ende. Zum Glück. Denn daraus hervor kam ein Facebook-Videochat, den Andrea Jansen zusammen mit der Sexual- und Psychotherapeutin Dania Schiftan und der Psycho- und Paartherapeutin Felizitas Ambauen ins Leben rief. Um diesem Thema, das so gerne unter den Teppich gewischt wird, endlich ein Gesicht zu geben. Ein Gesicht von drei Frauen, die aus eigener und beruflicher Erfahrung ehrlich und offen die Box der Pandora öffneten, dass sich jeder Mann und jede Frau einmal alleine und dann gemeinsam zu Gemüte führen sollten. Ein Gespräch, das, wäre es ein Skript auf dem Weg zu einem Buch, endlich ein Buch ergeben würde, welches vielen weiterhelfen könnte.

Ein Buch, welches den Strassen ohne Namen wieder Namen geben könnte. Und somit Energie. Neue Energie. Weil man endlich wieder Halt unter den Füssen spüren würde. Spüren würde, dass man nicht alleine ist. Spüren würde, dass jeder anders ist. Auch der eigene Partner.

Ganz am Anfang, da ist man ein Herz und eine Seele. Einklang pur. Energie bis ins Unermessliche. Lust auf mehr. Immer mehr. Mehr vom Anderen. Einfach nur mehr. Eins werden.

Sex.

Mehr Sex.

«Ich kann mir nicht vorstellen, wie man nicht Lust auf Sex haben kann.»

Sagt man dann. Einander, gegenseitig. «Aber was reden wir noch herum, komm lass es uns tun. Lassen wir die Worte, lass es uns noch einmal tun. Ich habe so Lust auf dich.»

Und der Tausch ist besiegelt. Worte gegen Sex. Kommunikation gegen Sex.

Weil, es ist doch alles so oder so schon so klar. Und wir ein Herz und eine Seele. Was braucht da noch mehr gesagt zu werden, lass es uns einfach tun.

Das geht dann so weiter. Bis ans Ende des Anfangs.

Schnitt.

«Ich kann mir nicht vorstellen, mit dir noch Sex zu haben.»

Sagt man dann. Am Anfang vom Ende. Ein gefühltes anderes Leben später. Aber immer noch im selben Leben. Angekommen im Trott und Nebel des Alltags. Benebelt.

«Wie bin ich nur hierhin gekommen? Es war doch eigentlich alles gut? Wieso fühle ich nun so? Wieso fühle ich nichts mehr?»

«Strassen ohne Namen.»

Am Anfang, da war man im Einklang und stand gemeinsam an ein und demselben Punkt. Man war sich begegnet, zwei Leben kreuzten sich und Wundersames geschah. Der Funke der Liebe sprang von einem zum anderen und zurück. Und es entstand ein Feuer der Begierde und der Lust, welches die hellsten Bilder einer gemeinsamen Zukunft auf der Leinwand des Lebens beider sich Liebenden projizierte. Der mühsame Weg alleine, nun ging man ihn endlich zu zweit. 

Am Anfang war man ohne Worte. Und am Ende ist man es auch. Und dazwischen hatte man keine Zeit für Worte.

«Wir müssen reden.»

Wenn dieser Satz kommt, dann bedeutet dies nur eins: Es gibt nichts mehr zu reden. Es ist alles schon gesagt. Ohne Worte. «Wir müssen reden» ist der Anfang vom Ende.

Statt das Ende vom Anfang. Ganz am Anfang.

Dann, wenn wir zusammenkommen und ein Fest der Liebe machen, für uns und alle unsere Nächsten. Wir nennen diesen Moment die «Hochzeit», obwohl die hohe Zeit dann wohl schon den Zenit überschritten hat. Die beste Zeit schon vorbei ist. Jene Zeit der Neugier, des Neuen, der Entdeckung des Gegenübers. Auf dem Weg rauf zur Hochzeit ist eigentlich die wahre Hoch-Zeit. Auf der Hochzeit selbst angekommen beginnt der erste Abstieg. Was uns aber selten bewusst ist. Denn, es wird uns eine ganz andere Zukunft vor Augen geführt. Die Zukunft der Vergangenheit. Lustige Filme des Paares werden gezeigt, Filme aus Tagen der hohen Zeit, aus der Erinnerung und es werden Bücher mit schönen Zitaten und Geschichten geschenkt, Bücher mit Schmetterlingen drauf. Auf dem Buch und im Bauch. Dort ist der Schmetterling omnipräsent. Aber eigentlich sind wir als Paar noch eine Raupe. Wohlig eingemummelt in unserem Kokon. Nicht bewusst, welche Metamorphose nun auf uns zukommt.

Wie wird aus der Raupe ein Schmetterling? Wissen Sie es? Indem sich das Innere der Raupe zu Matsch verwandelt. Und aus diesem Matsch, mit Hilfe der Imago-Zellen der Schmetterling entsteht.

Imago. Imagination. Vorstellungskraft.

Aber zuerst Matsch. Bei der Raupe.

Wenn wir in einer Beziehung aus dem Kokon langsam erwachen und in den Matsch des Alltags einzudringen beginnen, dann wird es schwierig in all dem Nebel, all der Benebelung des Trottes und Stresses sich noch etwas anderes, etwas schönes, strahlendes, visionäres vorstellen zu können. Dann schwindet langsam und stetig jegliche Imagination der Zukunft, die mal hätte sein sollen. Und dann schwindet auch die Vorstellungskraft, wie es je noch zu dieser Zukunft kommen könnte. Plötzlich steht nicht ein Schmetterling im Raum, sondern ein Elefant. Und der Raum ist kein gewöhnlicher Raum mehr, sondern ein Porzellanhaus. Und eine Vase der Hoffnung nach der anderen zerbricht. Ungewollt, unbeabsichtigt, unbewusst. Trottelig aus dem Trott heraus. Alles zerbricht langsam, nur der Elefant steht noch da.

Es gibt ein Bildzitat, das ich gerne verwende, wenn es darum geht, etwas grosses Übermächtiges zu bewältigen. «Wie isst man einen Elefanten? Biss für Biss?» Etwas Grosses zu überwinden geht nur Schritt für Schritt. Einen Schritt nach dem anderen. Kein Sprint, sondern ein Marathon. Nicht Intensität steht im Vordergrund, sondern Kontinuität. Wie beim Zähne putzen. Tag für Tag. Wenn man seine Zähne aber nie putzt, dann gehen sie kaputt. Sie bekommen Karies. Sie werden durchlöchert. Unmerklich zuerst, schmerzhaft je länger es geht. Wie bei einer Beziehung auch.

Zähne kann man reparieren. Eine Beziehung?

Eine grosse Frage.

Als Kind lernen wir schon in jüngsten Jahren, unsere Zähne zu putzen. Wir verinnerlichen es und es gehört zu uns. Es wird ein Ritual. Kein Spassiges, aber ein Notwendiges. Wir lernen nicht nur, Zähne zu putzen, wir lernen auch weitere Automatismen in unser Leben zu integrieren, damit unser Leben später rund läuft. Wir werden auf das Leben vorbereitet. Bis wir volljährig sind, aus der Schule herauskommen. Dann sind wir selbstständig, dann sind wir selber für unser Leben zuständig. Wir haben gelernt zu lesen, zu rechnen, werden vertraut mit einer Fremdsprache, etwas Physik, etwas Biologie.

Wie steht es aber mit der Biologie der zwischenmenschlichen Beziehung?

Sind wir, wenn wir eine Beziehung eingehen, bereit für eine Beziehung? Und wissen wir, was alles auf uns zukommen wird, welcher Matsch uns bevorsteht?

Bei den US Navy Seals, einer der extremsten Spezialeinheiten, die es gibt und welche unter widrigsten «matschigsten» Lebensbedingungen Höchstleistungen erbringen müssen, gibt es ein Konzept, welches heisst «To practice to practice». Üben zu Üben. Also nicht etwa: Rein in die Echtsituation. Und auch nicht rein ins Training zur Echtsituation. Sondern rein ins Training zum Training zur Echtsituation.

Training. Vorbereitung.

Der legendäre US-Basketball-Coach Bob O’Knight sagte zum Thema Erfolg: «Alle wollen Erfolg, aber kaum einer ist bereit, sich dafür vorzubereiten.»

«Hätte ich es bloss gewusst.»

Sagen wir uns, wenn wir vor den Scherben unserer Beziehung stehen. Und der Elefant immer noch vor einem steht, wir aber völlig überfordert sind, was wir jetzt bloss tun sollen.

«Hätte ich es bloss gewusst.»

Wenn Sie auf einen hohen Berg steigen wollen, ein grosses Unterfangen vor sich haben, das scheinbar unlösbar erscheint, dann bereiten Sie sich darauf vor. Sie sagen auch nicht einfach «Oh, ein toller Berg, komm wir laufen los. In Flip Flops und kurzen Hosen.» Einen hohen Berg zu erklimmen erfordert Vorbereitung. Erfordert, sich aller Unannehmlichkeiten bewusst zu werden. Erfordert Kommunikation. In der Vorbereitung. Auf dem Weg. Stetig. Erfordert stetigen Abgleich, wo der andere steht, wo ich stehe, wie es dem anderen geht, wie es mir selber geht. Kommunikation. Kommunikation beginnt wo? Beim Zuhören.

«Aber du hörst mir ja nie zu!»

«Immer redest nur du.»

«Wir reden aneinander vorbei.»

Wo beginnt zuhören? Bei sich selbst. Beim Verständnis für sich selbst. Beim sich selber verstehen.


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