Und eh ich mich's versah...

…sind schon fast dreissig Jahre um. Diesen Text habe ich kürzlich wieder gefunden, es waren meine Gedanken zum Abschluss der Matura und der Zeit am Gymer, anno 1994. Leeres Schlucken, beim Lesen. “Das bin ich, aus meinem tiefsten Innersten”. Ein paar Zeilen - und eine grosse Erkenntnis. Was haut einem um? Das “Wow, ja, das…das bin ich”. Die Selbsterfahrung. Vieles ändert sich, der Kern bleibt. Aber welches den nun unser Kern ist, das “wer bin ich”, daran grübeln und verzweifleln wir auf der Suche immer wieder. Darum ist das Gefühl beim Erleben und Einfühlen in diesen Text und in mich umso intensiver, klarer und befreiender. Umso mehr, als wenn ich es in den Kontext meiner Lieblingstexte und -gedanken in den aktuellen Büchern, vor allem “Zum Ausklang im Einklang” stelle. Wie damals so auch jetzt sind Musiktexte ein Schlüssel meiner eigenen Expression, eingewoben in meine eigene Gedankenwelt, meine eigene Welt - die einzige, die es gibt. Eine Rückkehr, eine Heimkehr und gleichzeitig ein Ausblick. Alles in einem, im hier und jetzt. Wenn ich den Text heute lese, ist er für mich nicht nur eine Ode an die Gymer-Zeit, nein er ist eine Ode an das Leben, einfach magisch wundervoll.

Und eh ich mich's versah...

Paradox. Unser Gymnasium lebt aber von ihnen - Widersprüchen. Vielleicht braucht es gerade die. Um erfolgreich in den Bunker zu gelangen, prüfen sie dich; willst du wiederum erfolgreich raus, warten weitere Bücher - mit und manchmal ohne sieben Siegel.

Im Hintergrund perlt aus den Boxen leise "Desperado", ein Stück der Eagles. Errinerungsmelodie, da Begleiter auf der Maturreise. Liparis Hotelbar und Pool - an warmen Sommertagen und Abenden. Melancholie, Freiheit und Ferne, typisch für die Eagles - und für die Reise. "Let somebody love you before it's too late" am Ende des Liedes. Paradox. Vier Jahre siehst du all die Typen, und es ist völlig selbstverständlich. Du freust dich aufs Wochenende. Nun hast du dein Wochenende und sogar länger als gewöhnlich. Nun ist es aber too late. Nicht vom Winde, sondern vom Leben verweht; wir alle, die wir uns Tag für Tag, Lektion für Lektion gegenübervegetierten. Und unbemerkt auch fühlten.

Kurz vor Frutigen; kurz vor Ende der Maturreise, die Klasse, noch beisammen. So nah - kurz nach Frutigen, die Klasse.... was für eine Klasse? Die ersten sind ausgestiegen. Aus dem Zug - und der Op. - und doch so fern. Ferne.

Pech, falls du jetzt plötzlich mitteilungsbedürftig geworden bist. Und lächerlich, falls du es vorher vier Jahre lang nicht warst.

Es ist Montagnacht im Juni, morgen ist Dienstag, will heissen ausschlafen, wie am Mittwoch auch, und am Donnerstag. Ausgeschlafen fahre ich am Gymer vorbei, so wie der Gymer es an mir auch tat. Beide ehemalig.

Schade, jetzt. Bloss früher?

Schluchz, symbolisiert ein zukünftiger Ex am Ostbahnhof, dem Terminus unserer Zugfahrt und des Erlebnisses Gymnasium Interlaken. Warum schluchz frage ich - obwohl glücklich, dass einer mir das Wort aus dem Munde nimmt - wenn du volle vier Jahre Zeit hattest, dich darauf vorzubereiten. Er habe es nicht geschafft, trotzdem, gibt er zu.

Paradox. Selbstverständliches wird zur Ausnahme, Ausnahmen zur Selbstverständlichkeit. Und dazwischen die Matur. Wendepunkt.

Und eh ich mich's versah, war alles nicht mehr da. Wollte ich aber nicht noch was sagen?

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Die Beziehung mit dem grössten Paradoxon? Die Beziehung zu unserer Angst. Weil sie eigentlich - selten - eine ist.